90 Jahre Reichard GmbH – und davon bald 40 Jahre in Steinbach

Die Eröffnungsbilanz, die Jürgen und Markus Reichard stolz in den Händen halten, ist auf den 9. Februar 1932 datiert. Damals gründeten Friedrich und Maria Reichard, die Großeltern von Jürgen, zusammen mit der Schwester von Friedrich Reichard, Sofie Reichard, die Firma. Von einer in Konkurs gegangenen Großhandlung übernahmen sie damals die gemieteten Räume in Frankfurt sowie die Mitarbeiter, den Kassenschrank, einen dreirädrigen Druckkarren und eine Schneidemaschine, deren Nachfolger noch heute bei Reichards in der Siemensstraße steht. Mit der Aussteuer von Mutter Maria entstand so die Papier-Großhandlung Reichard, die zunächst in Frankfurt ihren Sitz hatte.

Alte Schneidemaschine

Die Vertreter der Firma besuchten zur damaligen Zeit noch die Einzelhandelsgeschäfte, um Verpackungspapiere aller Art, Tüten und Beutel zu verkaufen. Vom Bäcker über den Tabakladen bis zu Metzgereien und Drogerien wurden die Läden besucht. Die Firma wuchs und Großvater Friedrich reiste in die Umgebung von Frankfurt bis nach Hanau und Schlüchtern, um Verkäufe zu tätigen und Waren zu liefern und das Besondere: noch heute sind Kunden aus der damaligen Zeit, wie beispielsweise Rowenta, die seit 1940 Kunde sind, dem Unternehmen treu.

Nach dem Krieg trat der Sohn des Gründers, Hans Jürgen Reichard in die Firma ein. Die alten Betriebsräume hatten die Bombenangriffe nicht überstanden und so wurde in einer ehemaligen Gastwirtschaft in Bornheim wieder angefangen. Der Betrieb entwickelte sich sehr erfreulich, gab es doch in vielen Bereichen großen Nachholbedarf.  Das Lager befand sich zu der Zeit bei einer Spedition im Hauptgüterbahnhof. Diese Trennung machte die Kommunikation für das Kommissionieren der Aufträge sehr umständlich. Die Kündigung des Mietvertrages nahm Hans Jürgen Reichard zum Anlass, sich nach geeigneten Räumlichkeiten umzuschauen. Nach längerem Suchen wurde ihm eine kleine Lagerhalle mit zwei Büroräumen in Frankfurt Rödelheim angeboten. Bereits hier machte das wachsende Sortiment bald die Anmietung weiterer Lagerflächen erforderlich.

Jürgen Reichard begann 1979 seine Ausbildung als Kaufmann im Groß- und Außenhandel im Betrieb des Vaters, der 1951 bereits die Firmenanteile seiner Tante übernommen hatte. Bis dato war die Firma eine oHG. Mit dem Einstieg von Jürgen Reichard nahm dessen Vater die Gelegenheit wahr und gründete die Firma in eine GmbH & Co. KG um. Vater Hans Jürgen und Sohn Jürgen Reichard, der in dritter Generation nun im Unternehmen war, wurden Gesellschafter der GmbH, Mutter Maria Reichard in der KG.

Firmengründer Friedrich Reichard

Die Firmengeschäfte liefen gut und der Lagerbestand wuchs stetig. So stand erneut die Suche nach einem neuen Firmensitz an. Dieser wurde im Vordertaunus gefunden. 1982 zog die Firma Reichard nach Steinbach in die Siemensstraße. Die damaligen Argumente, die für Steinbach sprachen, nämlich die S-Bahn und Autobahn Anbindungen und das Grundstück, welches gute Rangiermöglichkeiten für LKWs bietet, sind bis heute wichtige Standortfaktoren. Mehr Aufträge und die Veränderung von Packpapier hin zu mehr Wellpappkartonagen machten weitere Platzkapazitäten notwendig. 1986 stand das Nachbargrundstück zum Verkauf und machte eine Erweiterung des Firmengeländes möglich.

1987, nachdem die Firmenmitgründerin Maria Reichard nicht mehr dabei war, fiel auch die KG weg und die Firma war ab sofort die Reichard GmbH. Das Unternehmen wuchs stetig und weitere Hallen kamen 1991 mit der zweiten, 1995 mit der dritten und 1999 mit der vierten Halle hinzu. Im Jahre 2019 wurde schräg gegenüber des Hauptfirmensitzes in der Siemensstraße ein weiteres Grundstück mit Lagerhalle erworben und saniert. Auf rund 10.000 Quadratmeter ist die Firmenfläche inzwischen angewachsen.

Die Firmengeschichte ist vielfältig und birgt auch manche Schätze. So findet sich in den historischen Unterlagen eine Urkunde über die Eintragung des Gebrauchsmusters vom Deutschen Patentamt, die das Einlegepapier für frischen Spargel zeigt. Auch wenn die alten Holzkörbe für Spargel langsam aus dem Verkaufsbild verschwinden, so hat das Papier-Patent noch immer seine Gültig- und Einzigartigkeit. Durch die Spargelverpackung gewann die Firma damals einen neuen Kundenkreis in der Landwirtschaft und kam so mit dem erweiterten Sortiment zu einem weiteren Standbein.

Im Laufe der Jahrzehnte hat sich die Firma immer wieder der veränderten Gesamtwirtschaft angepasst und das Warensortiment verändert. Holzpaletten, Kunststoffpaletten, Verpackungsbänder, Folien, Versandtaschen oder Füllmaterial, alles bekommt man aus einer Hand. Auch die vierte Generation ist heute mit Jürgen Reichards Sohn Markus im Familienunternehmen tätig. Nach seinem Betriebswirtschaftsstudium stieg der Juniorchef 2012 in den Betrieb ein. Vater und Sohn teilen sich heute die Geschäftsführung.

Mit der heute sehr aktiven vierten Generation ist der Betrieb für die Zukunft hervorragend aufgestellt.

Im Juni 2022 feiert das Unternehmen neben der Gründung vor 90 Jahren dann auch das 40-jährige Jubiläum am Standort Steinbach. Aktuell sind 14 Mitarbeiter und zwei Auszubildende beschäftigt. Mit fünf LKWs wird das Sortiment täglich zu den Kunden geliefert.

Von links: Bürgermeister Steffen Bonk, Jürgen und Markus Reichard neben der alten Schneidemaschine.